Alle Welt sehnt sich nach Frieden, reicht den Völkern eure Hand


Noch am 19. Januar 1989 sagte der ehem. Staatsratsvorsitzende der DDR Erich Honnecker, dass die Mauer „in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen“ wird. Es ist ein Satz, der in die Geschichte einging, denn 10 Monate später war sie bereits gefallen. Am 07. Oktober 1989 feierte die DDR ihr letztes, ihr 40. Jubiläum. Diese Tage liegen heuer bereits 30 Jahre zurück. Und so begeben wir uns auf den Moment zu, in dem die Zeit der Wiedervereinigung eines geeinten Deutschlands ebenso lang bestanden haben wird, wie die Lebenszeit der DDR. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit vor dem Mauerfall erinnern. Als Kind in der DDR war es für mich unbegreiflich, warum denn diese DDR so schlimm gewesen sein soll. Nun das war die Sichtweise eines Jungen, der eben nichts anderes kannte. Und eben auch die Herausforderung für 17 Mio. Menschen, dass alles was bisher galt und wichtig war, mit dem Fall der Mauer am 09.11.1989 in Frage gestellt wurde. Wie jede/r DDR- BürgerIn hatte ich mich mit der DDR arrangiert. Es war normal, dass ich eben stundenlang vor dem gut positionierten Radio saß und ich meine Lieblingslieder „Julien“ von Mandy Winter und „The sun always shines on TV“ von A-HA endlich auf einer schon 20 mal überspielten Kassette aufnehmen konnte. Es war normal, dass man beim Beginn der Tagesschau den Fernseher etwas leiser drehte, damit die Nachbarn das „Bong“ und die sechs BrassBand-Akkorde des Intros nicht hörten. Denn schließlich war es für mich als Polizistensohn eigentlich unmöglich Westfernsehen zu sehen – und dann auch noch die Tagesschau! Doch auch dieser Polizist fand seine Nischen, indem er Heilig Abend eben getrennt von seiner Familie in den Gottesdienst ging, den er schon seit fast 25 Jahren jedes Jahr mitgestaltete. Obwohl Kontakt zur Kirche oder zum Glauben verboten war.
Irgendwie freute ich mich aber auch auf diese BRD, auf dieses Westdeutschland. Mit Sehnsucht hatte ich bei meinen Großeltern immer wieder auf ein Plakat mit warmen Farben der Insel Borkum geschaut, auf dem hohe Wellen und eine Abendsonne zu sehen war. So wie auf diesem Bild und wie in der Werbung – um Zehn vor Sieben – stellte ich mir diese BRD immer vor. Bunt muss sie sein! Denn warum sonst heißt sie „Bun(t)esrepublik Deutschland“?
Die Hoffnung wurde erfüllt. Mit den dreimal 100 Mark Begrüßungsgeld ging es nach Fulda/Hessen und bekam ich einen Lego-Technikbagger. Nur 19,90 DM sollte er kosten. Der „Herkules“-Markt hatte auf der Etikettiermaschine die erste „1“ ganz schwach eingestellt, so dass die 119,90 DM von uns als 19,90 DM erkannt wurden. Das wurde die erste nicht-sozialistische Erfahrung meines Lebens.
Aus den Herausforderungen der 90er Jahre sind Kompetenzen entstanden. Wir haben gelernt uns in der neuen bunten Welt zurechtzufinden. Jetzt entstanden nicht nur die versprochenen blühenden Landschaften, sondern mit der EU-Osterweiterung sogar ein vereinter Kontinent, ein vereintes Europa. Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall liegt es immer noch an uns aus dieser Zeit zu lernen und das Wissen von damals an unsere Kinder weiterzugeben. Denn an allen Enden wird derzeit die Axt an das geeinte Europa und an das geeinte Deutschland gelegt. Heute entsteht die Spaltung von innen heraus und kristallisiert sich in Begriffen wie: Wirtschaftsflucht, Klimawandel, Messerattentat, Wohlstandsschere und LGBTQ-Migration. Ich wünsche mir, dass die Freude der Nacht des 09.11.1989 auch 30 Jahre danach noch Menschen in Ihren Bann ziehen kann. Ich wünsche mir, dass wir das Bewusstsein für die Leistung einer deutschen friedlichen Revolution schärfen. Für ein tolerantes Miteinander auf einem geeinten Kontinent, in einem geeinten Europa. Dass nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint.