Auf dem Gipfel – Eine (Ton)Dichtung

Mit so einer Überschrift ist alles verbindbar – und nichts.
Wer mich kennt, weiß, dass ich zu Fuß die Chance ergreifen würde, wenn das die Voraussetzung wäre um einmal die Alpensinfonie von Richard Strauss an der Posaune, am liebsten der 3. mitspielen zu dürfen. Und eben jenes ca. 8 Minuten lange Non-Stop-Höhepunktstück der Alpensinfonie ist der Moment an dem ich mich gerade befinde.

Der Protagonist hat Nacht – Sonnenaufgang – Anstieg – den Wald – die Wanderung neben dem Bache – den Wasserfall – eine Erscheinung –  blumige Wiesen – die Alm –  Dickicht und Gestrüpp auf Irrwegen – den Gletscher und gefahrvolle Augenblicke hinter sich gelassen und ist auf dem Gipfel angelangt.

Hier beginnt diese 8-Minuten-Höhepunktstelle und es lohnt sich diese sich musikalisch JETZT bis min 30:00 anzutun:

„Auf dem Gipfel beginnt die Kontrabassposaune“

Und? Krass, oder?

Als ich 2014 mein Amt antrat sagte ich, ich möchte drei Perioden Bürgermeister sein. Daran hat sich nichts geändert. Und wenn man nun die Wahlzeit in Bayern berücksichtigt habe ich am 30.04.2023 die sog. Bergzeit, Halbzeit oder wie man auch immer den Teiler einer festgelegten Zeit nennen möchte erreicht. Ich finde Bergzeit sehr passend. Denn auch unsere diesjähriger Haushalt hat was von Verschnaufpause am Gipfel. Für mich ganz persönlich ist diese Bergzeit mit einem Ringschluss verbunden. Denn zum 30. März 2023 hatte ich die einmalige Chance „meine“ zwei Welten miteinander zu verbinden. Ich war gern Soldat unserer Bundeswehr und bin ihr dankbar dafür was ich durch sie heute geworden bin. Ich bin gern weiterhin Reservist dieser Bundeswehr und werde meinen Anteil leisten so lang es mir möglich ist. Doch das besondere was mir am 30. März zuteil wurde ist das Gelöbnis des SanLehrRegiment Feldkirchen, meines eigenen Grundausbildungsregiments, hier in meiner Gemeinde als westlichste Garnisonsgemeinde der Gäubodenkaserne Feldkirchens. Nach einer über dreijährigen Bewerbungsphase haben wir es geschafft mit größten Herausforderungen für Gemeinde und Mitarbeiter das öffentliche Gelöbnis nach Furth zu holen. Doch die besondere Ehre die mir zuteil wurde, war das Halten der Rekrutenrede. Von Auge zu Auge auf einer Höhe mit den neuen Kameradinnen und Kameraden die Treue dem Grundgesetz und dem deutschen Volk schwören und geloben.

Ich weiß aus der Alpensinfonie dass ich diesen Ausblick nicht zu lang genießen darf, denn im Abstieg folgt dann das eigentlich Dramatische:

Nebel steigen auf – die Sonne verdüstert sich allmählich – Elegie – Stille vor dem Sturm – Gewitter und Sturm im Abstieg – Sonnenuntergang – Ausklang und  Nacht.

Die Wolken zogen schon vorher auf, nur hat man sie nicht gesehen. Das heißt also, dass es jetzt besondere Wachsamkeit braucht und vor allem – Nervenstärke. Doch es zeigt auch, dass alles im Sonnenuntergang, in Ausklang und Nacht ein friedliches Ende nehmen wird. Und mehr möchte ich nicht und erwarte ich nicht. Nur Frieden.

Ich möchte das, was ich den Rekruten und den Besuchern am  30. März 2023 gesagt habe hier teilen und bewahren.

Gelöbnisrede

Anlässlich des Gelöbnisses der 6. Kompanie des Sanitätslehrregiment Feldkirchen am 30. März 2023 auf dem Sportplatz des Maristengymnasiums Furth

Liebe Angehörige und Besucher, sehr geehrte Ehrengäste, sehr geehrter Herr Regierungspräsident, sehr geehrte Herren Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, aber ganz besonders – liebe Rekruten,

es ist mir eine besondere Ehre heute vor Ihnen stehen zu dürfen und die Gelöbnisrede hier in Furth auf dem Sportplatz des Maristen-Gymnasiums halten zu dürfen. Ich kann mir sehr gut vorstellen wie es Ihnen gerade geht und das Sie sich in diesem Moment nichts sehnlicher wünschen als das meine Rede kurz ist.

Vor genau 26 Jahren stand ich an Ihrer Stelle. Ich legte als Rekrut des 12. Lazarettregiments Feldkirchen mein Gelöbnis ab. Insgesamt diente ich acht Jahre in der Bundeswehr als Militärmusiker. Die längste Zeit davon im Luftwaffenmusikkorps 4 in Berlin. An dieser Stelle gestatten Sie mir ein paar Worte an die Kameradinnen und Kameraden des Gebirgsmusikkorps. Liebe Musikerinnen und Musiker. Ich weiß noch genau wie ich bei manchem Gelöbnis an Ihrer Stelle stand und nur gehofft habe, dass nicht die üblichen Floskeln des Gelöbnisredners kommen und dass er sich hoffentlich kurz fasst. Ich werde mir Mühe geben. Ab diesem Moment dauert diese Rede noch acht Minuten. Und doch ist es mir auch eine große Ehre Sie alle hier zu haben. Seien Sie herzlich willkommen! Wir alle freuen uns über Sie und Ihr Spiel. Zuletzt gestatten Sie mir zwei von Ihnen persönlich zu begrüßen. Lieber Stefan Jahnke, lieber Sebastian Schmid, herzlich willkommen hier in meiner Gemeinde. Wir waren damals zusammen in Hilden im Ausbildungsmusikkorps.

Doch nun wieder zu Ihnen liebe Rekrutinnen und Rekruten. Haben Sie die 36 h-Übung auf dem Truppenübungsplatz schon hinter sich? Diese Übung ist das, woran Sie sich erinnern werden, wenn Sie später an Ihre Grundausbildung zurückdenken. Ich kann mich noch gut daran erinnern, da ich sie auch jetzt als Reservist „etwas entspannter“ in diesem Jahr als Biwak wiederhole. An dieser Stelle erlauben Sie mir Stabsfeldwebel d.R. James Benedix und die Kameraden meiner Reservistenkameradschaft Pfeffenhausen zu begrüßen.

An das Biwak kann man sich erinnern. Die Inhalte meiner Gelöbnisrede von damals weiß ich nicht mehr. Vielleicht auch deshalb, weil es ein Tag war, an dem das Gefühl einen wichtigen Schritt gegangen zu sein überwiegte. Wir haben die Eidesformel stärker und stolzer hervorgebracht, als wir es uns vorher vorstellen konnten. Zumal damals noch die Wehrpflicht galt und nicht jeder in unseren Reihen ganz freiwillig da war.

Das ist heute mit Ihnen und bei Ihnen etwas anderes. Sie sind allesamt freiwillig hier. Sicher gibt es unter Ihnen auch die Gespräche warum man sich freiwillig zur Bundeswehr in den Sanitätsdienst meldet. Der Eine will etwas Zeit überbrücken und vielleicht eine Qualifizierung mitnehmen.  Ein anderer nutzt die Zeit um sich was anzusparen und vielleicht eine Auslandsreise nach dem Bund zu planen. Ein Dritter will eine Karriere hinlegen und bis in die Feldwebellaufbahn und vielleicht zum Berufssoldat aufsteigen. Alle Ihre Gründe, so vielfältig sie auch sind haben eine gemeinsame Basis. Sie haben sich entschieden für kürzer, länger oder für immer einen Beitrag zu leisten. Einen Beitrag zu einem funktionierenden Staat, zu einer funktionierende Gesellschaft. Auch wenn mancher Befehl, mancher Materialzustand und manches Ausbildungsziel unverständlich, ja geradezu grotesk wirkt. Sie sind nicht da damit sie umsorgt werden. Sie sind angetreten als  Sanitätssoldaten der deutschen Bundeswehr um anderen beizustehen. Um Menschen zu retten, sie zu heilen oder zu pflegen. Sie schützen versorgen Kameradinnen und Kameraden die auf Sie angewiesen sind. Sie sind ab jetzt ein wesentlicher Teil dieser Bundeswehr und damit ein wesentlicher Teil unseres Staates.  Sie garantieren mit ihrem täglichen Dienst unsere Sicherheit als Gesellschaft – als Volk und Nation. Doch diese Sicherheit geht Gott sei Dank schon viele Jahre über unsere Grenzen hinaus. Peter Struck sagte zu meiner Zeit zu uns, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird. Ich habe das selbst damals „noch“ nicht verstanden, da mir die Politik egal war. Heute weiß ich, dass diese Politik die Entscheidungen über Waffenherstellung, -lieferung und -einsatz trifft. Das wir als Soldatinnen und Soldaten unter der Legitimation unseres deutschen Bundestages stehen. Carl von Clausewitz sagte in seinem berühmtesten Zitat, dass „der Krieg nur eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist. Jedes handeln eines Soldaten, jedes handeln von Ihnen wird damit gegen einen anderen nur auf der Basis einer politischen – in unserem Fall – parlamentarischen und demokratischen Entscheidung getroffen werden. Das gibt Ihnen die Gewissheit, dass ihr Handeln dass das was sie als Soldatin und Soldat tun legitimiert ist.

Solch ein Handeln wird aber in einer Demokratie nicht von allen Teilen unserer Gesellschaft geteilt  und mitgetragen. Die Bundeswehr formulierte das in einer Kampagne mit den Worten „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst.“ Ich habe es als aktiver Soldat erfahren was das heißt. Als in Potsdam vor einem Gelöbnis sich ein Mann vor mir aufbaute und mir wiederholt den Tucholsky-Satz: „Soldaten sind Mörder“ ins Gesicht rief.

Wie wichtig Sie als freiwillig Wehrdienstleistende und Soldaten auf Zeit in unserer Bundeswehr sind, sehen wir in der nach wie vor vorhandenen Bedrohungslage, die mit dem Ausbruch des Ukrainekrieges einen weiteren traurigen Höhepunkt erreicht hat. Die Auswirkungen dieses Krieges treffen uns direkt und unmittelbar. Lieferketten brechen, Energiekosten explodieren, Flüchtlingsströme erreichen unser Land und Unsicherheit macht  sich in der gesamten Gesellschaft breit. Nur eine wehrhafte Demokratie ist in der Lage demokratische Werte zu verteidigen. Und so ist es fast schon paradox, dass gerade Politiker die mit der Bundeswehr bisher eher Distanzierendes verbunden haben, immer noch verschärft Waffenlieferungen in den Osten fordern. Leider setzt die Politik derzeit scheinbar allein auf diese clausewitzsche Eskalation. Dabei vergisst sie wie wichtig bei aller Abneigung der Dialog bleibt. Sie ist es gerade Ihnen liebe Rekrutinnen und Rekruten schuldig. Denn es braucht nicht viel diese Eskalation weiterzudenken. Die Gefechte sind geografisch nicht weit vom Bündnisfall entfernt. Wie es ausgeht wissen wir nicht. Hier und heute können wir nur hoffen, dass die Stimmen der Mäßigung und des Friedens überwiegen. Das die Menschen die politische Verantwortung tragen mit größter Vorsicht agieren. Ich appelliere hiermit an die Vertreter des bayerischen Landtags und des deutschen Bundestages, dass Sie sich diesen heutigen Tag in guter Erinnerung behalten. Vielleicht denken Sie daran, wenn eine Entscheidung zu Rüstung und Einsatz  ansteht, dass es immer Menschen sind über die Sie verfügen. Das es Bürgerinnen und Bürger unserer Bundesrepublik Deutschland sind, die sich freiwillig gemeldet habe um unser Recht und unsere Freiheit tapfer zu verteidigen.

Ihnen liebe Rekrutinnen und Rekruten gehört unser Dank! Sie geloben oder schwören in wenigen Augenblicken sich persönlich für unsere Freiheit und unsere Sicherheit einzusetzen. Sie stellen sich in den Dienst für unser Gemeinwohl. Für unseren Frieden. Ich hoffe und wünsche mir, dass diese Identifikationen mit  Ihnen und damit mit unseren Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr über den heutigen Tag hinaus gehen möge. Heute sind Sie, lieber Herr Oberstarzt Dr. Gamberger mit all Ihren Soldaten ein Teil unserer Zivilgesellschaft. Ich freue mich persönlich sehr über das Zeichen was von uns gemeinsam hier heute ausgeht. Von einem öffentlichen Gelöbnis. Umrahmt von Menschen die durch ihre Anwesenheit Respekt und Anerkennung, Ihnen liebe Rekrutinnen und Rekruten zollen.

Was ist nun die Botschaft, die Sie aus dieser Gelöbnisrede mitnehmen können? Sie können stolz auf sich sein, denn Sie leisten einen wichtigen Dienst für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland für Europa und für unsere Bündnispartner der Nato. Und doch bleiben Sie ein wesentlicher Teil unserer Gesellschaft als Staatsbürger in Uniform. Die Bundeswehr bietet Ihnen an den folgenden Tagen, Monaten und Jahren gute Chancen für eine persönliche Entwicklung. Und sollte Ihre Zeit bei der Bundeswehr einmal enden seien Sie nicht traurig. Sie können ja immer noch Bürgermeister werden.

Ich wünsche Ihnen und allen anwesenden Soldatinnen und Soldaten alles Gute für die Zukunft. Einen starken Rückhalt von Ihren Familien und ihren Freunden. Und uns allen, dass wir erkennen welchen wichtigen Dienst jeder Soldat und jede Soldatin für uns leisten und was sie dafür riskieren – damit wir in Sicherheit und Geborgenheit jeden Tag aufs Neue aufwachen dürfen.

Stellvertretend für die Menschen für die Sie Ihren Eid, ihr Gelöbnis ablegen danke ich Ihnen für Ihren Dienst und wünsche Ihnen für ihre soldatische Zukunft allzeit eine gesunde Heimkehr und Gottes Segen!